Warum ich Facebook verlasse. Ein Abschied.

Bald ist es soweit. Meine Entscheidung ist fix: ich verabschiede mich von Facebook. Ich werde Ende 2018 mein persönliches Profil und meine Cartoon-Seite dufitoon löschen. Das ist tatsächlich ein Abschied, nicht nur ein Klick auf den Delete-Button.

Ich wurde von einigen gefragt, warum ich gehe, und ich habe versprochen, meine Beweggründe ein wenig zu erläutern. Also bitte, hier sind ein paar Zeilen darüber. Kann man gerne lesen, muss man aber nicht. Kann man gut finden, muss man aber nicht. Kann man darüber nachdenken, muss man aber nicht.

Modern StalkingGleich vorweg: Ich bin Facebook sehr dankbar. Durch diese Plattform war es möglich, meine Cartoons einem größeren Empfängerkreis zugänglich zu machen. Der liebe Robert Stachel (Maschek) schrieb in seinem Vorwort zu meinem ersten Cartoon-Buch mit dem Titel „Modern Stalking“ sinngemäß, dass es offenbar Facebook gebraucht hat, um einen unbekannten Cartoonisten wie mich zumindest ein wenig bekannter zu machen. Das Cover dieses Buches zierte damals sogar ein selbst gezeichnetes Facebook-Logo. Facebook – das meinte ich damals mit Modern Stalking.

Es ist aber nicht das Stalking, das mir hier nicht mehr taugt. Ganz im Gegenteil, das war bisher sogar ein Pluspunkt. Mal schauen, was aus diversen fast schon vergessenen Volksschulfreunden wurde oder was Freunde und Bekannte so treiben den ganzen Tag. Oder wer wen kennt. Oder wer was für einen Weihnachtsbaum hat. Seichte Unterhaltung halt zum Durchklicken, wenn einem mal langweilig ist. Manchmal wurde mir aber auch erst dadurch fad.

Deshalb habe ich auch verschiedene Seiten abonniert, mit Inhalten, die mich wirklich interessieren. Künstler aller Art, Politiker verschiedener Couleurs, Medien von Print bis TV, Verlage, NGOs, Blogs, lokale Initiativen, diverse Wichtigmacher mit eigenen Seiten, lustige Foto-Seiten und natürlich Nachdenkliche Sprüche mit Bilder.

Facebook dufitoon SeiteZusätzlich habe ich neben zwei kleineren Seiten auch meine eigene dufitoon-Seite betreut, die inzwischen immerhin über 10.000 Fans aufweisen kann. In Österreich gilt man damit – so hörte ich – allen Ernstes schon als „Influencer“. Ich fand das zwar lächerlich, aber vielleicht ist das doch auch irgendwie der Grund, warum ich mich jetzt hier vor allen über Facebook ein bissl – sagen wir mal – auslasse.

Meine eigene Seite hat mir ein wenig Einblick verschafft, wie Facebook tickt. Manche Bilder wurden sehr vielen Leuten angezeigt, manche sehr wenigen. Auf manche Bilder gab es viele Reaktionen, auf manche kaum welche. Likes, Kommentare und Teilungen sind die Messgrößen, die mir das wertvolle Feedback geben, welche Cartoons auf Facebook ankommen und welche weniger.

Auch wenn der Algorithmus völlig undurchsichtig ist, bis zum Frühjahr 2018 hat das alles so halbwegs funktioniert. Ich habe Facebook meine Cartoons, für die andere sogar etwas zahlen, gratis zur Verfügung gestellt und als Gegenleistung eine gewisse Reichweite bekommen. Facebook hat damit einen kleinen Teil seiner Milliarden verdient und ich habe meine paar tausend Fans verlässlich erreicht. Eine zumindest nachvollziehbare Kooperation.

Doch dann hat sich Facebook dazu entschlossen, wieder „sozialer“ zu werden. Ein Social Network muss schließlich Menschen verbinden und nicht Seiten. Die Reichweite von Seiten wurde daraufhin merklich zurückgeschraubt. Der Algoritmus lässt ja nur Vermutungen zu, aber ich schätze so ca. zwei Drittel der Reichweite waren von einem Tag auf den anderen weg. Und damit ein Teil der Gegenleistung, die ich bisher für meine Cartoons hatte.

Auch andere Seitenbetreiber berichteten Ähnliches. Die befreundete Tagespresse z.B., die früher einfach über den Traffic von Facebook auf ihre Seite und den darauf generierten Werbeeinnahmen überleben konnte, musste sogar auf ein Abo-System umstellen, um weiter bestehen zu können. Die Reichweite ist also ein entscheidender Faktor.

Facebook WerbungGleich nach der Umstellung des Algorithmus wurden die bisher auch schon auf Facebook mögliche „bezahlte Reichweite“ wieder sehr aktiv beworben. Für rund 20 Euro kann ich einen Teil der Reichweite wieder zurück haben. Pro Cartoon versteht sich. Also ich soll dafür zahlen, dass ich Facebook meine Cartoons gratis zur Verfügung stelle. Das war der Beginn eines Nachdenkprozesses, der mit diesem Text langsam sein Ende findet.

Jetzt bin ich prinzipiell nicht unbedingt ein Gegner davon, dass Facebook sich wieder verstärkt dem Gedanken eines „sozialen Netzwerkes“ zuwendet. Dass es dafür Seiten bedauerlicherweise zurückschraubt mag Teil dieser Strategie sein, nur: Facebook ist in weiten Bereichen absolut asozial.

Damit meine ich nicht nur, dass der Besitzer dieses Netzwerkes dem US-Kongress und dem EU-Parlament coram publico irgendwelche Gschichtln erzählt hat, dass sich Facebook mit geschickten Tricks der Steuerleistung entzieht, dass Facebook Daten illegal weitergegeben hat oder dass sich Facebook nach wie vor weigert, als „Medium“ für seine Inhalte auch verantwortlich zu sein. Ich meine damit vor allem, dass Facebook mit undurchsichtigem Microtargeting die Demokratie aushöhlt und mit der gezielten Förderung von Hasspostings die Menschen gegeneinander aufwiegelt. Das halte ich für gefährlich. Das möchte ich nicht länger unterstützen.

Facebook LöschungDazu kommt, dass einige meiner Postings im Laufe meiner fast zehn Jahre auf Facebook immer wieder von den undurchsichtigen Löschfabriken entfernt wurden. Sie entsprächen nicht den Nutzungsbedingungen, erfährt man dann über ein Pop Up. Und dass man aufpassen soll, was man postet. Was genau daran nicht passt steht nicht. Warum genau der Beitrag gelöscht wurde, kann man also nur vermuten.

Es ist nicht ganz unbekannt, dass die Nutzungsbedingungen von Facebook eher diffus sind. Videos von Hinrichtungen sind jedenfalls eher zulässig, als die Nippel der Venus von Willendorf. Als Cartoonist hat man es doppelt schwer, muss man die Realität oft satirisch überzeichnen. Damit wird man immer wieder Opfer irgendwelcher Meldemuschis und bei meinem satirischen Spektrum schnell ein Ziel von Rechts wie Links. Facebook unterscheidet nicht zwischen Nippel und Nippelsatire und nicht zwischen Gewalt und Gewaltsatire. Facebook entscheidet dumm.

Wenn genügend Beiträge gelöscht wurden, egal ob gerechtfertigt und nachvollziehbar oder nicht, kommt Eskalationsstufe 2. Man wird ohne Vorwarnung gesperrt. Zuerst 24 Stunden, später ein paar Tage oder noch länger. Meine erste 24 Stunden Sperre war im Sommer 2018. Ein lapidarer Hinweis, dass ein Cartoon nicht passt und man warten muss, bis man wieder etwas posten kann. Die Sperre betrifft nicht nur das private Profil sondern auch alle Seiten, die man betreibt. Gesetzesbrecher sperrt man ein, Facebookrichtlinienbrecher sperrt man aus.

Facebook SperreMein zu diesem Zeitpunkt schon weit fortgeschrittener Nachdenkprozess, ob Facebook es wert ist, sich hier aktiv zu beteiligen, bekam neuen Anschub. Ich hielt diese Sperre für absolut ungerechtfertigt. Der Grund war wohl ein Cartoon über den Kickl und seine lächerliche Grenzschutzübung. Er wandte sich gegen Hass, Hetze und die dazu passenden Parolen der Idiotären. Also wollte ich Einspruch gegen diese Sperre erheben. Doch das war nicht möglich. Ein mitgeschickter Beschwerde-Link, führte nach vielen vielen Klicks in diverse Sackgassen und niemals zu einer ernstgemeinten Schlichtungsstelle.

Findet man nach langer Recherche endlich eine E-Mail Adresse von Facebook heraus, bekommt man einige Tage später eine automatisierte Mail zurück: dass man sich über die Mail freue, sie aber nicht gelesen hat und auch nicht lesen wird. Facebook ist also nicht nur willkürlich, sondern auch autoritär. Und es verarscht die User.

Die Frage, die ich mir immer wieder stellte war: würde ich mir ein solches willkürliches, undurchsichtiges und autoritäres Verhalten von irgendeinem anderen Kooperationspartner gefallen lassen? Die Antwort war eindeutig: nein.

Natürlich kann man jetzt sagen: Facebook ist halt so. Wem das nicht passt, der muss ja nicht auf Facebook sein. Wer die Richtlinien nicht kennt, ist selber Schuld. Wer was postet, muss mit allem rechnen. Ja, das hat einen wahren Kern und ich würde das sofort unterschreiben, wenn Facebook nicht inzwischen so eine Macht hätte, dass es gesellschaftlich relevant ist und die Menschen sehr stark beeinflusst. Es gibt nämlich kaum eine Alternative zu Facebook. Es ist de facto ein Monopol.

Gut, der Text ist schon sehr lang geworden, viel länger als geplant, aber die Entscheidung von Facebook, Seiten nur noch gegen Geld allen Abonnenten anzuzeigen, führte dazu, dass sich auch meine private Timeline verändert hat. Künstler, Politiker, Medien, Verlage, NGOs, Blogs, lokale Initiativen, diverse Wichtigmacher und lustige Foto-Seiten verschwanden. Stattdessen sah ich oft Befindlichkeiten, Essensfotos, Streitereien oder „gesponserte“ Beiträge. Auch Nachdenkliche Sprüche mit Bilder habe ich leider schon lange keine mehr gesehen. Ich finde, die Timeline ist ärmer geworden und nicht mehr so interessant wie früher. Was ich aktiv geliked habe, wird mir ja leider vorenthalten.

Change The GameIch habe mir selbst im September 2018 drei Wochen Facebook-Pause verschrieben und in dieser Zeit das Buch „Change the Game“ von Corinna Milborn und Markus Breitenecker gelesen. Es führte mir sehr deutlich vor Augen, dass Facebook noch schlimmer ist, als ich vorher schon vermutete. Ich habe mich über mich selber geärgert, dass ich sehr aktiver Teil dieses asozialen Netzwerkes bin. Und diese drei Wochen zeigten mir auch, dass mir Facebook nicht abgeht, wenn ich mich nicht einlogge. Keine Sekunde. Ganz im Gegenteil, ich begann, wieder das Internet zu entdecken. Ich bin jetzt wieder öfters auf den verschiedenen Seiten, die das Internet bietet, ich lese wieder Newsletter und ich habe schnell erkannt, das Internet ist mehr, als die blaugraue Timeline in der Facebook bestimmt, was ich sehen (und posten) darf und was nicht.

Ein sehr kluger Universitätsprofessor hat einmal geschrieben: „Der Weg in die Abhängigkeit führt über die Bequemlichkeit.“ Er meinte damit damals das Auto, ich finde aber, dieser Satz passt auch sehr gut auf Facebook. Natürlich ist es bequem, wenn man im facebook’schen Biotop schwimmt und sich einfach der Reihe nach anschaut, was man vorgesetzt bekommt. Und es bedarf mehr eigener Initiative, wenn man gezielt ein paar interessante Künstler, Politiker, Medien, Verlage, NGOs, Blogs, Initiativen, Wichtigmacher oder Foto-Seiten mit dem Browser ansteuern muss. Aber es lohnt sich. Ich finde, es befreit. Es macht unabhängig.

Ich habe inzwischen auch eine neue Webseite und einen Newsletter. Wer sich gerne in sozialen Netzwerken aufhält, kann alles direkt aus der Webseite heraus teilen. Wer gerne kommentiert, kann dies direkt auf meiner Webseite tun. Liken kann man halt nichts. Wer das unbedingt braucht, kann mich notfalls auch auf Twitter besuchen kommen.

Therapeutische CartoonsSo, ich komme nun endlich zum Ende. Da mein Text auf Grund seiner Länge fast schon eigentherapeutischen Charakter hat, lasse ich auch gleich einen Buchtipp da. „Therapeutische Cartoons“ aus dem Holzbaum Verlag. Verlinken tu ich das jetzt nicht, denn Facebook bestraft externe Links mit noch geringerer Reichweite. Man soll ja nicht aus dem Biotop rausschwimmen. Von mir ist da auch was drinnen. Dufitoon IRL sozusagen.

Ich danke allen, die meine Seite in den letzten Jahren geliked haben. Über 10.000 Fans aufzugeben ist eigentlich sehr traurig, aber die Rahmenbedingungen passen für mich leider nicht mehr. Sollte Facebook irgendwann einmal wieder leiwand werden, komme ich vielleicht zurück? Oder vielleicht entsteht irgendwann einmal eine neue Plattform, wo meine dufitoons und meine Weltanschauung besser hineinpassen? Dann findet ihr mich möglicherweise auch dort. Wer weiß?

Es grüßt euch ganz herzlich
Michael Dufek
(dufitoon)

Dieser Text wurde am 5. Dezember 2018 auf Facebook gepostet.